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Ägyptische Weihnachten v. Thomas C. Bordiehn

Als wir vor fast 26 Jahren nach Hurghada kamen, hatten wir mit Weihnachten nichts zu tun. Wir waren einfach zu cool und Weihnachten war es nicht! Das kam Anfang Dezember 1991. Als Mitbeauftragter für die Restaurants in unserem Hotel, in dem wir ausbildeten, wurde ich nach Kairo geschickt um Dekorationen zu besorgen. Konnte ja nicht besonders viel sein, dachte ich. In einem Islamischen Land hält sich das alles ja in Grenzen. Also ab nach Kairo und dann bekam ich noch einen Ägyptischen Einkäufer zur Seite gestellt. In der absoluten Morgenfrühe um 11 Uhr ging es los. Wir starteten in Khan el Khalili und gingen die eine Einkaufsstrasse hinab nach Attaba. Das waren schon mehrere Kilometer, vorbei an Gewürzläden und Shops für Stoffe und welche für den täglichen Haushaltsbedarf. Gemischt mit Produktionen aus Ägypten, kamen die meisten Sachen aus Indien oder China. Unglaublich viele Gegenstände aus Plastik und Skijacken die von Marktschreiern angeboten wurden. Und wenn ich sage Schreier, dann kann man mir glauben, die haben geschrien. Frei nach dem Motto “Laut ist geil” aber billig war alles. In diesem Viertel war ich der einzige Europäer. Zum Glück gab es damals noch keine Smartphones mit Kamera. Auch wenn es für Ägyptische Verhältnisse noch fast Nacht war, mußte man sich seinen Weg erkämpfen. Es war voll und wurde immer voller. Es war laut und wurde immer lauter. Da hat sich bis heute nichts verändert. Wir kamen an einen kleinen Platz der unter anderem drei Geschäfte hatte, die sonst wohl Schreibwaren verkauften. Momentan war es Dekoration für Weihnachten und Neujahr. In einer solchen Fülle und mit einem gnadenlosen Kitschgeschmack gesegnet. Alles blinkte und hunderte Plastik Nikoläuse sangen Weihnachtslieder. Natürlich nicht im Takt, natürlich nicht im Ton und schon gar nicht die gleichen Lieder. Dann sollte das auch Englisch sein, aber das hatten die Chinesen damals noch nicht perfektioniert. Versuchen Sie mal 聖誕節快樂 (Shèngdàn jié kuàilè)zu singen! Mein Assistent Hany, kauft ein und ich wußte warum ich mit sollte. Er hätte Weihnachten in ein Hawaiijanisches Fruchtbarkeit-fest verwandelt. Dazu muß man wissen das Feste in Ägypten einer gewissen Routine unterliegen. Natürlich gibt es Religiöse Feiertage, Nationale Gedenktage der großen gewonnenen Kriege und die letzte Kategorie ist einfach rhythmisch in die Hände klatschen, so beginnt ein Fest. Da in Ägypten aber gerne Feste gefeiert werden, wird Weihnachten, Neujahr, Ostern und der Geburtstag der Nachbarin gerne genutzt. Hauptsache alle sind glücklich. In der Provinz Monofeia wird traditionell Fatah Bath gekocht. Essen spielt immer eine übergeordnete Rolle. Verstehe nicht warum Präsidenten der Welt nicht vorher Koch gelernt haben müssen. Wir lösen als Köche alle Konflikte mit dem Gaumen! Also Fatah Bath ist ein Schmorgericht mit Fladenbrot und Ente. Das gibt es auch mit Rind, Kaninchen und Kamel (hatten wir mal auf der karte) In einer Auflaufform (Tagine) wird schichtweise Fladenbrot, Orientalischer Reis ( in meiner Geschichte (http://bordiehn.eu/land-und-leute/das-land-der-wunder/ beschrieben) und Geröstete und zerkleinerte Ente angerichtet. Dazwischen kommen immer frische Tomaten. Wie klein die Ente geschnitten ist, ob man etwas Baharat Gewürz (Ingo Holland bietet auch online gute Qualität) oder sogar Kurkuma (Gelbwurz) bei Kaninchen oder Hähnchen Fatah hinzufügt, bleibt der eigenen Kreativität überlassen. Das ganze abdecken und schön im Ofen backen bis sich die Geschmäcker vermischt haben. Das ist Yummy, Umami und lecker in einem!
Also Hany mein bester Assistent war im Festmodus, kaufte Girlanden und Lametta in einem Umfang der Christo den Künstler als Versager hingestellt hätte. Damit hätten wir die drei großen Pyramiden schmücken können. Ich hatte nur Einspruchsrecht bei der Auswahl, nicht bei der Menge. Es wurde eine Anzahlung gemacht und die Händler brachten die Kisten mit den Dekorationen später in einer großen Karawane zu unserer Zentrale, dem Victoria Hotel. Dort wartete der Hausdrachen auf die Abwicklung. Oder besser, ließ warten! Während Ägyptische Manager schon eine besondere Spezies sind, haben Managerinnen und besonders diese, eine besondere Eigenart. Keiner brauchte die Tür aufmachen, die kamen alle unter dem Türspalt durchgekrochen. Durch meine vielen Stunden die ich vor dem Schreibtisch wartend verbracht habe, konnte ich das genau studieren. Völlig ergeben zu dem Besitzer der ganzen Organisation, und gnadenlos bei Leuten die Fehler machten. Wobei ein falscher Augenschlag schon ein Fehler sein konnte. Etwas zu teuer eingekauft zu haben, war ein schwerer Fehler. Anfangs hatte ich noch den “Ausländer ist neu” Bonus, für mich wurde dann Hany angeschrien. Später hatte ich meine Lektion gelernt. Ich kam mit dieser Dame gut aus, respektierte sie und bewunderte sie.
Später wurden dann die Hotels in ein “Chlistmas” Wondelland verwandelt. Aber wesentlich besser als alles andere in Hurghada. Ein Hotel hatte die Idee, einmal eine Christmas Cowboy Veranstaltung zu organisieren und baute einen Santa an der heutigen Mamsha auf, der an einem Galgen hing! Das konnte aber in kurzer Zeit geregelt werden.
Wir hatten dann unsere Kinder und es zog ein Romantisches Weihnachten in Hurghada ein. Das haben wir bis Heute beibehalten, keine blinkenden oder grellen Lichter. Kein Glühwein unter der Wüstensonne. Den gibt es nur als Sauce im Weihnachtsmenü. Meine einzige Ehefrau sorgt für eine ausgewogene Dekoration, wo wir doch dem ursprünglichem Geschehen so nahe sind. Trotzdem ist ein Tannenbaum etwas befremdlich unter der Wüstensonne. Das denkt man anfangs, sobald aber Weihnachten näher rückt, der Baum nicht blinkt und man etwas in sich geht, kommen doch Erinnerungen hoch und auch in der Wüstenhitze kann die eine oder andere Träne rollen.

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