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Leibgericht

Endlich geht es mal wieder um kochen, Leibgericht ist schon ein etwas älterer Ausdruck für Lieblingsspeise. Trifft aber eher den Kern der Sache. Diese Lieblingsspeise sieht man direkt dem Leib an, sobald man sie zu lieb hat.

Aber eigentlich geht es hier um Kulturelle Unterschiede, die auch mit dem besten Regierungsprogramm nicht überbrückt werden können. In der Anfangszeit unserer Ägyptischen Expedition waren wir (Meine einzige Ehefrau und ich) gierig darauf alles kennenzulernen. Dazu gehört natürlich die Küche. Als Köche, wollten wir damit das Land erkunden. “Schau dem Volk auf den Löffel, dann weißt Du wie sie ticken”. Es war eine Traumhafte Erfahrung. Gebratene und gefüllte Täubchen, Lamm, Frittierte Pasteten, es erfüllte sich der Orientalische Traum. Wie in einem Kitschfilm, wurde alles aufgetischt was man sich vorstellen kann. Dann kamen die ersten Experimente. Die Oberfläche der Orientalischen Küche ist hier eher als arme Leute Futter angesehen. Kofta, Shawerma (Kebab) und Felafel sind nicht die Krönung des Geschmacks in Ägypten.Die nächste Stufe hieß Molocheja und Kauerah. Molocheija ist zwischen Spinat und Brennesel angesiedelt und erfordert einige Kunst beim Kochen. Es sieht wie eine Suppe aus und wird mit Kaninchen gekocht. Die Konsistenz ist schleimig und das geht völlig an unserem Geschmacks und Konsistenz Empfinden vorbei. Noch besser ist Kauerah. Gekochte Kalbshaxe mit noch mehr Schleim. Irgendwie stelle ich mir das so vor, wie eine Schüssel gekochter Kaulquappen. Gerne auch mit Molocheja serviert. Damals kamen mir die ersten Vergleiche mit den Leibspeisen meiner Eltern. Als Kriegsgeneration hat sich wohl einiges eingebrannt und für immer verewigt. Speck in Stücke geschnitten, angebraten und mit Wasser abgelöscht. Dann mit trockenem Brot angedickt und mit frischem Brot gegessen. Das ganze nennt sich Schusterstipp und war wohl der Grund warum ich richtig kochen lernen wollte. Aber meine Eltern liebten das ebenfalls Schleimige und salzige an diesem Gericht und sind fest der Überzeugung gewesen das alle es lieben. So ist es uns in Ägypten ergangen. Wenn man von bestimmten Gerichten spricht, werden die Augen größer und manche fangen an zu sabbern. Hier gibt es auch keine Kompromisse, nur gnadenloses Verständnis hilft. Molocheja gibt es in Europa nicht, so haben mich die Syrischen Flüchtlinge in meinem Gastspiel in Norwegen angefleht, das zu kochen. Die konnten nicht verstehen das so etwas nicht auf Europäischem Boden wächst. Einmal hab ich einen losgeschickt um Molocheja zu suchen. Leider war die Wiese zugeschneit und eingefroren. Dafür habe ich dann Koschari gekocht. Das kannten die nur vom Hörensagen aus Ägypten. Waren aber völlig begeistert, obwohl es ein Vegetarisches Gericht ist. Dazu gehören Maccaroni, Linsen, Reis, Kichererbsen. Das wird gemischt oder schichtweise auf dem Teller aufgebaut. Dann kommt Tomatensauce und obenauf geröstete Zwiebeln. Macht süchtig. So cool wie ich bin, habe ich einmal in Kairo Koschari mit der scharfen Sauce bestellt und meine nächste Lektion gelernt. Esse niemals scharf von fremden Köchen! Unter den Augen der ganzen Strasse habe ich das gegessen bis die Ohren qualmten. Aber keiner hat etwas gemerkt. Wahrscheinlich erzählen und lachen noch Heute alle über den blonden Mann mit dem roten Kopf!

Ist viel Arbeit und man sollte es am besten von Strassenläden kaufen die darauf spezialisiert sind.

Auf der Strasse findet man auch die Orientalischen Gewürze. Aber bitte mit Vorsicht kaufen, es handelt sich an den Strassen von Kairo nicht mehr um Feinstaub! Das sind andere Dimensionen. Früher als es nur Esel und Kamele gab, die auf die Strasse pupsten, war das noch OK. Aber heute bekommt man eine Schwermetallvergiftung mit dem Zimt mitgeliefert. In den meisten Fällen ist der Safran ganz einfach Kurkuma und der Onkel beliefert immer die großen Gewürzfirmen in der Welt. Dieser spezielle Orientalische Geschmack stammt noch aus dem Mittelalter. Wir hatten in Europa damals den gleichen Geschmack. Gewürze waren exotisch und teuer, Damit wollte jeder angeben. In unseren Weihnachtsgerichten steckt bis heute noch dieser Geschmack. Etwas Zimt, Sternanis, Lebkuchen. Bei Aachener Printen vermute ich allerdings etwas anderes. Die Produktion wurde eigentlich im Mittelalter eingestellt. Die sind unkaputtbar und werden immer nur weiterverschenkt. Keiner kann das essen! Also werden die wieder eingesammelt, gewaschen und neu verpackt. Ist eine Sache für die Ewigkeit! Ich habe ja mal in Aachen gearbeitet!

Zurück zu den Gewürzen. Auch in Ägypten wird inzwischen moderat gewürzt. Vorsicht wenn der Burger oder anderes Fleisch zu stark nach Zimt schmeckt, Zimt überlagert den haut goût von fortgeschritten gelagertem Fleisch. Hilft aber gleichzeitig bei Magenproblemen.

Ach ja, unser Kamel! Ich war versessen darauf ein spezielles Gericht in unserem Restaurant zu servieren. Kamele liefen noch sehr viele durch die Gegend und ich habe im Fernsehen einen Bericht gesehen über Shalatin an der Sudanesischen Grenze. Dort wurden und werden Karawanen zusammengestellt und auf die Reise geschickt. Manche auch mit LKW´s. Das ist dann schon ein merkwürdiges Bild, wenn vor einem so ein Laster fährt mit Kamelen darauf. Die können doch laufen! Eine unglaubliche Umweltverschmutzung und ein Beweis das alles zu hektisch ist in unserer Zeit. Die erste der zwei Omas meiner einzigen Frau war spezialisiert auf Sauerländer und Rheinischer Küche. Von dieser unglaublich gebildeten Dame habe ich das Rezept für unseren Kamelsauerbraten. Sie wird immer in unseren Gedanken bleiben. Kamel war aber verpönt und galt als arme Leute essen. Keiner gab zu, das jemals gegessen zu haben. Erst in Kairo auf dem Kamelmarkt wurden wir fündig. Inzwischen hat jeder in Hurghada Kamel auf der Speisekarte und wir sind stolz darauf! Es gibt noch einen der diesen Denkwürdigen Kamelmarktbesuch bis heute sicher nicht vergessen hat. Plötzlich wurde meine Frau (Die einzige die ich habe!) laut und beschwerte sich, das ihr jemand an den für mich reservierten Hintern getatscht hat. Und das ohne USA Präsident zu sein, der das ja darf! Dieses Glücksgefühl hat diese arme Seele dann mit einer ordentlichen Tracht Prügel bezahlt. Der ganze Markt wollte einmal mitprügeln! Na ja, bei dem Hintern würde ich mich auch bis heute prügeln lassen.

November 2016

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