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Sofa Rassismus - v. Thomas C. Bordiehn

Können alle Orientalen auf Teppchen fliegen? - Als kleiner Junge bin ich zum ersten mal mit Ausländern in Kontakt gekommen. Es war an einer Panzerstrasse die von einer US Kaserne zum einem Übungsfeld führte. Meine schlauen und älteren Brüder hatten mich mitgenommen. Amerikanische Kaugummis abgreifen. Es wirkte wie versprochen. Etwas winken und dieses Monster von Panzer fuhr langsamer. Aber dann kam da so ein schwarzer Kopf hervor. Mit einem Grinsen und weißen Zähnen vom rechten bis zum linken Ohr. Ich wußte nicht was mich mehr beeindruckte. Das ungeheuer große und laute Kriegsgerät oder der Mohrenkopf, der mir freundlich irgendetwas zuwarf, wie auf einem Karnevalsumzug. Mohrenkopf nannten wir damals auch die heutigen „Schaumküsse“, in anderen Gegenden wurden diese „Negerküsse“ genannt. Aber mit Küssen wollte ich damals wirklich nichts zu tun haben. (Hat sich später geändert!) Es war schon schlimm genug wenn irgendwelche Tanten über einen herfielen, bevor sie die Süßigkeiten aus der Tasche holten. Inzwischen ist es politisch und Gesellschaftlich nicht korrekt, das Wort Mohr oder Neger zu verwenden. Ob mein freundlicher Amerikaner damit einverstanden gewesen wäre, das ich Mohrenköpfe verspeist habe? Heute mag ich die Dinger nicht mehr. Die Bezeichnung Schaumkuss hat irgendwie etwas sabberiges aus der pubertären Teenagerzeit. Schokoküsse dürfen sie nur genannt werden wenn der Überzug aus Schokolade ist. Ist er aber meistens nicht. Es ist normalerweise eine dunkle Fettglasur mit Schokoladengeschmack. Damit ist die Zeit der beliebten Mohrenköpfe vorbei. Schade. Sie waren sympathisch, jetzt ist alles politisch.

Später wurde ich Koch und habe den Grund dafür noch nicht genau herausgefunden. Mit Ausländern hatte ich selten Kontakt. Einmal würde ich beauftragt am Frankfurter Flughafen ein Küche zu übernehmen die von allen verlassen würde. Zur Seite stand mir ein Koreaner, der noch weniger Englischkenntnisse hatte wie ich. Der malte sich die Gerichte auf seine Kochmütze und kochte mit zwei Eßstäbchen, das aber verdammt schnell. Interkulturelle Kommunikation gab es nicht, da wir uns kaum unterhalten konnten. Aber in Frankfurt gab es auch noch andere, Inder mit Turbanen die nie abgenommen wurden. Afrikaner, die unglaublich scharfe Sachen gegessen haben, Asiaten die anscheinend alles gegessen haben. Ich war eindeutig in der Minderheit. Wurde aber nicht verspeist. Später hatte ich noch einmal einen Chinesen in der Küche, meine einzige Ehefrau sollte sich um ihn kümmern. Es ging um einen Duisburger Partnerstadtaustausch mit Presse und viel Show. Meine einzige Ehefrau und Köchin bereitete mit Cheng ein großes Buffet vor. Sie war Patissier und Cheng brachte alles in den Keller in ein Kühlhaus. Vor dem Buffetaufbau war das Kühlhaus leer. Cheng war der Meinung, dass es im Froster besser, weil kälter war. Millionen von Chinesen sanken in der Gunst meiner einzigen angetrauten.

Aber mit Rassismus kam ich erst in Kontakt als ich in Ägypten war. Nicht ganz unfrei von Lebenserfahrung und gut geschult von Ägyptern in einer Entwicklungshelferschule kamen wir in Hurghada an. Alles war toll, die Menschen so freundlich und hilfsbereit. Trotz Vorbereitung kam es aber manchmal zu Spannungen, die erst nicht zu erklären waren. Nachdem wir in den ersten Jahren alles, aber wirklich alles für gut und besser als in Europa betrachtet hatten, kamen die ersten Einschränkungen. Ich mußte mit meiner Arbeit selbst geradestehen, vor Ägyptern die absolut Verständniss für Ihre eigene Kultur hatten, es aber von mir nicht erwarteten. So musste in unserem ersten Restaurant die Toilette renoviert werden. Schon zwei Jahre im Land, war ich vorsichtig. Es ging auf das Ramadan Fest zu. Aber die selbstsicheren Zusagen des Verantwortlichen Mohandes (Chefhandwerker) gaben mir Vertrauen. das Fest kam und Mohandes war nicht da, Urlaub. Wohlverdient und lange geplant. Wir natürlich ohne Toiletten. Ich brauchte die auch nicht. Wurde von unserem Ägyptischem Boss auf Deutsche weise so zusammengefaltet, das man einen Papierflieger aus mir basteln könnte. Dementsprechend wurde das Vertrauen immer weniger. Auch in unseren Küchen gab es bestimmte Vorgänge, die ich inzwischen umgehe. So gibt es den Moses Fisch (Red Sea Seezunge), der jedesmal nicht mehr zu haben war, sobald er auf der Speisekarte stand. Regelmäßig habe ich unsere Weihnachts und Silvestermenüs geändert. Aber die Zusagen waren immer vorhanden. Alle Lieferanten versprechen Spargel, Erdbeeren, Mosesfisch und vieles mehr, bis das Telefon nicht mehr bedient wird. Meine Reaktionen darauf waren einem Deutschen Küchenchef würdig. Obwohl ich mich bis heute erfolgreich geweigert habe Arabische Schimpfwörter zu lernen. Das funktioniert sogar auf Latein! Schimpfen ist Multikulturell und bedarf keiner Sprache. Meistens werden dann auch Wörter benutzt die nichts mit der Situation zu tun haben.

Im Arabischen ist es beliebt, die Familie, speziell die Mutter zu denunzieren. Wir zielen mehr auf die fehlende Bildung oder Intelligenz ab. Aber es geht auch in Konfliktsituationen ohne Schimpfwörter. Das habe ich für mich beschlossen und halte mich auch daran. Egal was der Streitpartner zu mir sagt. Trotz allem sind solche Beleidigungen kein Rassismus. Es geht mehr um Einzelpersonen. Der zwangsauferlegte Aidstest um die Arbeitsgenehmigung zu erhalten ist da schon eher an der Grenze. Auch nach so vielen Jahren müssen meine einzige und ich jedesmal zum Test. Ägypter, die ständig durch die Welt fliegen, brauchen das nicht. Jeder amerikanische Anwalt hätte sofort eine Sammelklage gegen den Staat eingereicht, hier interessiert das keinen. Wir können ja auch in unserem Land bleiben. Aber richtigen Rassismus habe ich hier nicht gefunden. Und wir Ausländer in Ägypten können schon sehr nervend sein. Wenn irgend etwas nicht klappt, die Autofahrer wieder mehr mit dem Smartphone als mit der Straße beschäftigt ist. Der Stromableser läßt den Starkstromkasten offen stehen und so weiter. Jedesmal wenn wir uns darüber beschweren, klingt nicht nur etwas Besserwisserei mit. Da war ich ein typischer Deutscher. Bis ich erkannt habe das man sich auch mit ständiger Rechthaberei ins Unrecht setzen kann. Hier tickt die Welt eben anders, völlig ohne Wunsch nach ständiger Bewertung dieser Welt. Nicht besser, nicht schlechter, nur anders. Wer es als schlechter empfindet, soll bitte in seinem Heimatland politisch aktiv werden. Hier dürfen wir das nicht. Es ist meiner Meinung nach Politisch unklug, Menschen die so lange Erfahrung haben, nicht in die politische Gesellschaft einzubinden, aber wir dürfen klatschen und singen. Nur nicht besser wissen! Auch das ist nicht Rassistisch, es trifft alle Ausländer. Einmal hatten wir eine Dame aus einem Nachbarland Deutschlands, die sich lautstark über alle Deutschen beschwert hat. Das ist schon Rassistisch, hatte aber nur ein müdes Lächeln zur Folge. Schlimm ist es wenn Rassismus zur Gewalt führt. Aufklärung und ein vernünftiger Menschenverstand helfen dagegen. Oftmals ist aber an Fakten kein Interesse, so hat mich bisher niemand gefragt was ich über die Flüchtlingssituation denke. Aufgrund meiner Erfahrung in einem Norwegischem Flüchtlingsaufnahmelager bin ich eigentlich in der Lage einen Beitrag zur Diskussion beizusteuern. Aber es werden von allen Seiten nur Vorwürfe gemacht, Fakten verdreht oder erfunden. Mir wird wohl einfach unterstellt eine zu positive Meinung zu haben. Als Folge dieser Flüchtlingssituation bildet sich in der Welt wieder ein kleiner Sofarassismus. Im Mittelpunkt steht keine Rasse, sondern eher eine Glaubensgemeinschaft. Die wiederum unternimmt nichts um sich als Gemeinschaft dagegenzustemmen. So geht alles eine Wege und das Ende ist offen.
Jeder hat so seine Erfahrungen gemacht. Auf die sollte man achten, nicht auf Angstmacherei in den Sozialen Foren, die dadurch wirklich zu unsozialen Medien werden. Die Angst vor dem Fremden sollte uns nicht abschotten, sondern in diese Fremden Länder führen um sie kennenzulernen. Dazu gehört eine persönliche Neugier und eine respektvolle Distanz.

Text und Foto von Thomas C. Bordhiehn 30. Dezember 2016

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