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Urfi oder Orfi

Urfi oder auch Orfi Vertrag heißt übersetzt schlicht und einfach "Freier Vertrag" - Um mit ihrer Urlaubsliebe eine Privatwohnung zu teilen, gehen unzählige Touristinnen solche "Eheverträge auf Zeit" ein, ohne zu wissen um was für ein Schriftstück es sich eigentlich handelt. Im Folgenden: Was auf jeden Fall beachtet werden muss, usw.

Der Orfi-Ehevertrag (s. Foto unten = Arabische Version) ist ein in Ägypten anerkannter Vertrag, u.a. für eine Eheschließung auf Zeit (wer will auch für immer). Darf aber nicht mit einer legalen Eheschließung verglichen werden. Denn er enthält für beide Ehepartner weniger Rechte (z. B. Unterhaltsansprüche). Alle, die einen Orfi Vertrag schließen, müssen sich im Klaren sein, dass sie weniger (unter Umständen gar keine) Rechte haben, als bei legalisierten Verträgen.

Aber es gibt einen kleinen Unterschied: Ägyptische Paare können ihren Orfivertrag legalisieren und eintragen lassen. Deutsch-Ägyptische Paare können das nicht.

Ein Kaufvertrag für eine Wohnung z.B. ist auch ein Orfi-Vertrag. Solange dieser nicht das rechtliche Prozedere durchlaufen hat, wie die Registrierung und das Eigentum im Grundbuch eingetragen ist.

Orfi-Eheschließung in Ägypten wird als Schande angesehen

Die zwei verschiedenen Arten der Eheschließung (legal und Orfi) in Ägypten sind hier bereits mehrfach erklärt und diskutiert worden. 

Eine legale Eheschließung nach dem ägyptischen Gesetz ist nicht an die Religion gebunden, sodass Ehepartner verschiedener Konfessionen angehören können. Dabei ist zu beachten, dass in einem überwiegend muslimischen Land, das Eheleben, die Scheidung sowie das Sorge- und Aufenthaltsbestimmungsrecht für in der Ehe geborene Kinder, durch die Scharia geregelt wird. Ist aber eine Orfi-Ehe geschlossen worden, ist bekannt, dass die Ehefrau jegliche Rechtsansprüche verliert.

In der ägyptischen Gesellschaft gilt diese Art der Eheschließung als nicht ehrenwert und wird umgangssprachlich mit Hurerei gleichgesetzt. Der Grund hierfür ist,:

  • 1. dass eine solche Eheschließung geheim eingegangen wird, ohne Zustimmung der Familien. Auch durch die Anwesenheit eines Rechtsanwaltes und beigebrachter Zeugen wird eine Orfi-Eheschließung nicht öffentlich und nicht legalisiert. Die Gesellschaft und auch die Gesetzgebung akzeptieren dies als „legale Hurerei“, was bedeutet, dass eine erwachsene Frau, die keine Jungfrau mehr ist, nicht das Stigma einer Hure erhält, da sie kein Geld für sexuelle Leistungen annimmt.
  • 2. Frauen, die keine Jungfrauen mehr sind, nutzen diese Art der Eheschließung, um zukünftigen Partnern belegen zu können, dass sie verheiratet waren und keine „Hure“ gewesen sind.
  • 3. Wenige verarmte Frauen akzeptieren die Orfi-Eheschließung, da die legale Eheschließung aufgrund der Zahlung einer Morgengabe, Einrichtung einer ehelichen Wohnung etc. für den zukünftigen Ehemann zu teuer ist und sie zustimmt zu warten, bis sie gemeinsam genug Geld gespart haben, um eine ehrenhafte, legale Ehe einzugehen.

Alle Kinder, die aus Orfi-Ehen entstehen, sind unehelich und werden sehr negativ angesehen. Ohne Zustimmung des Erzeugers können die Kinder nicht den Namen des Vaters erhalten. Ihnen bleibt somit ein guter gesellschaftlicher Stand verwehrt. Auch mit Vaterschaftsanerkennung des Kindes hat die Frau, die eine Orfi-Ehe eingegangen ist, keinerlei Unterhaltsanspruch – weder für sich noch für das uneheliche Kind.

Eine Frau, die nach einer gescheiterten Orfi-Ehe mit einem neuen Partner eine legale Ehe schließen möchte, muss ihrem zukünftigen Partner sagen, dass sie nicht mehr Jungfrau ist, da sie Orfi verheiratet war und ihm das entsprechende Orfi-Papier zeigen. Der Partner kann nun akzeptieren, dass sie keine Jungfrau mehr ist. Bei der legalen Eheschließung muss er nun gegenüber dem Standesbeamten und den anwesenden Zeugen verkünden, dass seine zukünftige Frau noch Jungfrau ist. Verheimlicht sie ihrem zukünftigen Mann die früheren Orfi-Ehe(n), bleibt ihr nur die Möglichkeit ihren Zustand der Jungfräulichkeit durch eine Operation wieder herstellen zu lassen.

Das Verlieren aller Rechte der Frau, wenn sie bereit ist eine Orfi-Ehe einzugehen, ist als Strafe angesehen, da sie ebenfalls die Möglichkeit hat eine legale Ehe zu schließen. Aufgrund des Verlustes eines ehrhaften Ansehens für die Frau und deren Familie, vermeiden Ägypterinnen die Schließung einer Orfi-Ehe.

Da Ausländerinnen sich der Komplexität und der gesellschaftlichen Auswirkung einer Eheschließung mittels Orfi nicht bewusst sind bzw. ihnen dies nicht wichtig ist, ist eine Orfi-Eheschließung mit Ausländerinnen beliebt, da dies einfacher, billiger und ohne Verpflichtungen für die Ehemänner ist. Eine Orfi-Eheschließung ist ein Vertrag ohne Formvorgaben und bedarf weder einen Rechtsanwalt noch Zeugen. Es ist absolut ausreichend, wenn der Mann gegenüber der Frau mündlich oder schriftlich verkündet, dass sie seine Frau ist und sie dem zustimmt.

 

Interessant für Nichtmuslime: Meine bisherigen Infos waren, wenn ein Nichtmuslim eine Muslima heiraten will, muss er konvertieren. 

  • Dazu sagt ein RA: Im Gesetz steht nirgendwo geschrieben, dass weder Mann noch Frau zum Islam konvertieren muss, möchte er/sie eine Muslima bzw. einen Moslem heiraten. Aber es ist richtig, dass die Kirche und die Al Azhar Moschee in Ägypten diese Bedingung gestellt haben. Würde jemand dagegen klagen, würde er/sie gewinnen, da durch diese Bedingung die Würde des Einzelnen eingeschränkt wird, was wiederum gegen die ägyptische Verfassung verstößt.

 

Im folgenden noch ein recht interassanter Artikel der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. Wilde Ehe auf Ägyptisch - Immer mehr junge Ägypter lassen sich auf eine rechtlich unsichere aber religiös legitimierte Ehe auf Zeit ein. Zu hoch sind die finanziellen Hürden für eine herkömmliche Eheschließung. Die Zunahme dieser sog. „Urfi Ehen“ sorgt in Ägypten für heftige Diskussionen. Hier könnt ihr weiterlesen