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In der Wüste gibt es kein Echo! 4 von Thomas C. Bordiehn

Manchmal geht das Leben schon seltsame Wege, irgendwie war unseres in Ägypten sehr Turbulent. Aber 1994, nach einer ausgewachsenen Ehekrise im 7ten Jahr wurde es richtig heftig. Ehekrise? Das war mehr ein Weltuntergang, der Super Gau der höchsten Klasse. Natürlich kamen später noch heftigere Super Gaus. Dieser hatte aber Auswirkungen die wir besser im Kamin ausblenden. Dann kam die Panik, wir waren in Ägypten! In Hurghada! Da gab es nichts, auf jeden Fall nicht was wir Europäer brauchen um ein Kind zur Welt zu bringen. Ich schwor mir, mich nie wieder zu streiten und ab jetzt sehr enthaltsam zu leben.

Meine einzige Ehefrau und zukünftige Mutter unseres Kindes, sah das etwas gelassener. Aber die Frage blieb offen. Deutschland oder Ägypten? Also um das Kind zur Welt zu bringen. Deutschland lockt mit Technik, Krankenkasse und einer gewissen Sicherheit. Mit was lockte Ägypten eigentlich? Es war schwer. Dann war da noch die einzige Ehefrau des Visionärs, Erika. Allen Besserwissern zum Trotz, sie ist nicht die Tochter einer Dortmunder Brauereidynastie! Einfach nur Erika. Unglaublich patent und lebt seit ewigen Zeiten in Ägypten. Wir werden nie Ihre Trostspendenden Worte vergessen: “Also Kinder zur Welt kriegen, das können die hier in Ägypten sehr gut” Liess sich ja auch per Statistik belegen. Es gab und gibt noch in Kairo einen omnipräsenten Frauenarzt der anscheinend schon die Technik der Teleportation vor der Sternenflotte kannte. Vergibt viele Termine und das Wartezimmer ist immer mit Notfällen gefüllt. Dazu kommen Hausbesuche, Hausgeburten und die geplanten Geburten in den von Ihm betreuten Kliniken. Das war der einzige Arzt, den wir damals aufsuchen durften. Es dauerte ja trotzdem nie lange bis man an die Reihe kam. Wie sich dann herausstellte hatte er als Frauenarzt in Deutschland gearbeitet, im Münsterland und hat dort die Kusine meines einzigen Kugelbauches zum Erdenbürger gemacht.
Einen Monat vor der erwarteten Geburt wollten wir dann doch etwas näher beim Arzt sein und nahmen uns eine Wohnung in Zamalek (Kairo). Mitten im August. Entgegen allen Erwartungen war es aber erträglich von der Hitze her. 1995 war auch das Chaos auf den Strassen, noch ein Chaos aus der guten alten Zeit. Heute ist das Chaos wirklich eines. Eines Tages sind wir dann von unserem so bewundertem Visionär zu seiner Mangoplantage eingeladen worden. Dort hingen dann die reifen Früchte wie an dicken Seilen von den Bäumen herab. Im Hintergrund mit Aussicht auf die (oder den?) Sphinx. Das hatte irgendwie etwas paradiesisches.
Als Koch wusste ich das Mangos eine aphrodisierende Wirkung haben. So hatte ich schon als junger Lehrling gelernt immer Ananas dazu zu reichen, das hebt die Wirkung wieder auf. In meiner unverdorbenheit stellte ich mir dann vor, wie die Gäste über sich herfielen, bis der Oberkellner ein paar Ananas stücke dazwischen warf. Ich war halt noch sehr jung!
In Ägypten sorgt die Mango für eine schnelle Geburt. Zumindest nach dem Hörensagen. Die schnelle Geburt kam dann am nächsten Tag. Kaum im Krankenhaus, kam Doktor Hamza in letzter Minute und half bei dem Vorgang. Ich durfte leider auch dabei sein und habe es dankend abgelehnt irgendwelche Schnüre zu durchtrennen. Ich bin Koch, das geht nicht mit Köchen oder Metzgern!
Dann durften wir kennenlernen wie es in Ägyptischen Krankenhäusern so zugeht. In anderen Zimmern sind ebenfalls Kinder zur Welt gekommen und es sah aus, als wenn sich jeder Erdenmensch einzeln dort vorstellt und Glückwünsche bringt. Wir hatten den Vorteil das Kairo weit weg ist von Hurghada und dementsprechend wenige für uns vorbeikamen. In dem ganzen Krankenhausbetrieb waren recht wenig Krankenschwestern zu sehen. Die Familienangehörigen haben für Essen und trinken und für Unterhaltung gesorgt. Dann kam die Krankenschwester und wollte das Kind mitnehmen, waschen, wiegen und vermessen. Das junge Elternpaar, (also wir) wurde sofort misstrauisch. Hat man ja schon einiges gehört wie Kinder vertauscht wurden. Aber wie sollte das Mädchen vertauscht werden? Mit blonden Haaren und blauen Augen! Mitten in Gizeh. Also wieder ein unbegründeter Panikanfall. Ausserdem wäre sie spätestens in der Pubertät wieder zurückgetauscht worden.
Am nächsten Morgen ging es zurück in die Wohnung und nach einer Woche wieder nach Hurghada. Ausser einer Reifenpanne und einer Festgefressenen Radmutter passierte nichts aufregendes auf dieser Fahrt. Da kam erst ein paar Tage später.
Irgendwann fällt bei solchen Neugeborenen dann die Nabelschnur ab, oder der Rest davon. Nur hörte die kleine Wunde nicht mehr auf zu bluten. Da machte sich richtige Panik breit. Nach einem Anruf bei unserem Doktor Hamza in Kairo stellte sich heraus das er auch gerade in Hurghada war. Sofort kam er bei uns vorbei und musste eine Notoperation vornehmen. Aber wo? Es gab das Staatliche Krankenhaus mit sehr zweifelhaftem Ruf (damals noch), dann das Militärkrankenhaus (war damals nicht für Zivilisten geöffnet). Dann noch das einzige private mit ebenfalls sehr zweifelhaftem Ruf. Während meine einzige besorgte Ehefrau mit dem einzigen Kind und Dr. Hamza in diese kleine Klinik fuhr, war ich mit Dr. Hesham (Kinderarzt und Freund) unterwegs um Vitamin K zu besorgen. Das fehlen dieses Vitamins, war die Ursache für die Blutung. Unser Arzt aus Kairo hat sich kurzfristig den OP gemietet und selbst neu sterilisiert. Dann konnte der Nabel operiert werden. Damals gab es ca. 10 Apotheken in Hurghada, bei der letzten fanden wir das Vitamin. Eine Stunde später waren wir erleichtert aber es war noch nicht vorbei. Dr. Hamza meinte, das wir unbedingt nach Kairo müssten um sicher zu gehen. Es gab aber leider nur noch eine Maschine die von Luxor nach Kairo flog. Aus Hurghada flog nichts mehr. Da hatte sich dann der Visionär eingeschaltet und alle Hebel in Bewegung gesetzt um die Maschine umzuleiten und einen Zwischenstop in Hurghada einzulegen. Spät in der Nacht erreichten wir dann Kairo und wurden zu einer speziellen Kinderklinik gefahren. Noch einen Tag zur Beobachtung und wir durften wieder nach Hause. Diese Aktion war selbst für Ägyptische Verhältnisse ungewohnt und wir sind bis Heute dankbar für alle die damals mitgespielt haben. Zwei Jahre später kam dann unser Sohn zur Welt, ebenso in Kairo, ebenso mit Dr. Hamza. Anscheinend haben es alle Bordiehns es immer sehr eilig und so hatte Dr. Hamza noch nicht einmal Zeit seine Lederjacke auszuziehen. Obwohl alle Strassen frei waren, wir hatten den Geburtstag des Propheten Mohamed und der gilt als ein wichtiger Feiertag. Das ging dann alles Ratzfatz und wir waren zu viert. Unseren Kindern haben wir sehr bewusst jeweils zwei Vornamen gegeben. Sie sollten ihr Leben daran denken in welch einem schönen Land sie zur Welt kamen. Sophie Amira (Prinzessin) und Laurenz Selim (der reine, klare). Beide leben inzwischen in London und haben ihre Schule zuerst in Ägypten besucht. Anschliessend kam ein Aufenthalt in einem Internat und seit kurzer Zeit das Berufsleben in sehr modernen Zukunftsweisenden Berufen. Niemand von uns vieren möchte eine Sekunde unserer Zeit in Ägypten vermissen.
Unser Visionär hat das als Anlass genommen um das El Salam Krankenhaus zu bauen. Niemand sollte hier jeh wieder in eine medizinische Notlage kommen.
Ach ja, das Bevölkerungswachstum ist in Ägypten auf Rekordniveau, es gibt viele sehr gute Mangos. Aber keine Ananas Palmen.

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