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anno 1951

Benimm-Regeln anno 1951: Schlüsselbein zeigen verboten - Es waren drei Tage im Jahr 1951, die das Strandleben in Spanien auf Jahre hinaus in Stein meißelten. Es regierte bekanntlich der Diktator Francisco Franco im engen Bund mit der katholischen Kirche. In Valencia trafen sich damals vom 11. bis 13. Mai etwa 100 größtenteils dem männlichen Geschlecht angehörende Personen, um zwischen mehreren Messen für die Ewigkeit festzuzurren, wie sich Badegäste am Wasser zu verhalten haben und wie nicht. „Congreso Nacional de Moralidad en Playas, Piscinas y márgenes de ríos" hieß das Ereignis („Spanischer Kongress über moralisches Verhalten an Stränden, Schwimmbecken und Flussufern"). Auf dem aus heutiger Sicht völlig abgefahren anmutenden Treffen, an dem neben Klerikern auch Vertreter der Provinzregierungen und der Zentralgewalt in Madrid teilnahmen, wurde unter anderem beschlossen, dass am Wasser die Trennung der Geschlechter gelten müsse. Und dass die Badehose bei Männern und der Badeanzug bei Frauen um Gottes Willen nicht kürzer als eine halbe Oberschenkellänge zu sein hätten. „Man redete sich unter anderem die Köpfe darüber heiß, ob bei Frauen das Schlüsselbein freiliegen darf", wundert sich Daniel Blanco Parra, der den Kongress nach zweijährigen Recherchen und Gesprächen mit Zeitzeugen zum Anlass nahm, einen 480-Seiten-­Roman zu schreiben – „Los pecados de verano" („Die Sünden des Sommers", 21 Euro, Ediciones B). „Am Ende wurde beschlossen, dass das Schlüsselbein verdeckt zu bleiben hat." Und nicht nur das: Männer und Frauen mussten sich selbst bei 40 Grad im Schatten im Trockenen in Bademäntel hüllen.

Da in jener Zeit immer mehr Touristen aus nicht so gestrengen Ländern Zentral- und Nordeuropas nach Spanien drängten, wollte man ein Zeichen setzen, so der 37-jährige Autor. „Sittenpolizisten waren mit Metermaßen unterwegs, und wer nicht spurte, wurde zu hohen Geldstrafen verurteilt." Besonders perfide war der Brauch, die Namen von Strandsündern in den staatlich gelenkten Zeitungen zu veröffentlichen. Und das war noch harmlos: Wenn ein Mann und eine Frau zusammen in einem der obligatorischen Umkleide­häuschen (casetillas) oder gar – was einer Todsünde gleichkam – beim Nacktbaden erwischt wurden, stand darauf Gefängnis. Zur Hilfe eilten den Kräften der emsig an der Stränden wirkenden Policía de las Costumbres Denunzianten. ......