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Ghost City

Wer nach Ägypten kommt, denkt meist an Strand, ans Rote Meer mit seinen herrlichen Korallen und bunten Fischen an Pyramiden, Pharaonen, Tempel. Die Urlauber landen - wenn es nicht nach Sharm el Sheikh auf der Sinaihalbinsel geht - überwiegend in der Touristenhochburg Hurghada, fahren vom Flughafen aus in ihre Hotels - bleiben dort ggf. 1-3 Wochen und erzählen später, dass sie in Ägypten waren. Und wenn sie keinen Ausflug gemacht haben - haben sie auch nur ein Ägyptisches Hotel kennengelernt und nichts von der Abwechslungsvielfalt des Landes am Nil gesehen und kennengelernt.

Schade eigentlich, denn auch am- und ums Rote Meer gibt es einiges zu entdecken. Neben den beiden ältesten Klöster St. Antonius und Paulus (runde 280 km nördlich von Hurghada), den Pharaonischen Steinbrüchen Mons Claudianus (ca. 50 km westlich von Safaga = 50km von Hurghada) und Mons Porphyrites (ca. 55 km westlich von Hurghada). Oder dem osmanische Fort von Sultan Selim aus dem 16. Jhr. und die sehr ursprüngliche Altstadt in El Quseir - lohnt sich ein Abenteuerausflug nach "Ghost City" = Umm el-Huweitat- Umm al Huwaytat oder auch Omm el Howeitat, einer ehemaligen Bergarbeiterstadt, deren Geschichte auf den Beginn des 20. Jahrhunderts zurück geht.

Der Ort liegt in einem Bergkessel der zum Wadi Gasus gehört, ca. 26 km Landeinwärts von Safaga am Roten Meer entfernt. Zusammenhängend mit der Kolonisation Ägyptens durch Großbritannien (v. 1882 - 1922) - begannen diese ca. 1902 in der Region nach Bodenschätzen zu graben und stießen u. a. auf riesige Mengen von Phosphat.

Um dieses abzubauen, zu Verschiffen und für ihre Zwecke zu nutzen wurde 1910 eine rund 28 km lange Eisenbahnverbindung zum Port Safaga fertiggestellt. Teile dieser Bahnstrecke incl. eines Tunnels sind heute noch vorhanden. Die kl. Bahn wurde aber nicht nur zum Phosphattransport zum Hafen in Safaga genutzt, auf ihrem Rückweg beförderte sie: Baustoffe, Werkzeuge, dringend benötigtes Wasser und alltägliche Dinge zum Leben.

Genau so wichtig wie Transportwege waren  natürlich Arbeiter, die in den Minen den begehrten Stoff abbauen sollten. Diese lockte  man zuerst mit dem Versprechen auf regelmäßiges Einkommen zur Versorgung ihrer Familien in die Berge. Zu Beginn der Förderung waren die Männer - die überwiegend aus der Region Quena stammten - allein gekommen. Sie schufteten Wochenlang für ein paar Piaster und konnten nur hin und wieder für wenige Stunden zurück zu ihren Familien.

Ägypter sind durch und durch Familienmenschen und so dauerte es nicht lange, dass immer weniger von ihren "Heimaturlauben"  zu den Minen zurück kehrten. Es soll aber auch Arbeiter gegeben haben, die ihre Familien heimlich mitgebracht haben und sie in den Bergen versteckt haben. Nach Feierabend schlichen sie sich aus dem Lager zu ihren Lieben und kehrten am anderen Morgen wieder zurück.

Als der Mangel an Arbeitskräften immer schlimmer wurde mussten sich die Engeländer was einfallen lassen. So entstand die Idee den Menschen ein Leben mit ihren Familien in der Nähe der Minen erschaffen - mit allem was dazu gehört. Um wieder Arbeiter in die Gegend zu locken, versprach man ihnen u. a. auch für medizinische Versorgung ihrer Familien zu sorgen. So wurden um 1910 für die Arbeiter einfachste Häuser, eine kl. Grundschule (die man wegen der anwachsenden Schülerzahl um 1925/26 erweitern musste), Lebensmittelläden zur Versorgung, einen Marktplatz zur Komunikation, ein Krankenhaus und natürlich Gebetsmöglichkeiten gebaut und eine vollständige Infrastruktur geschaffen - incl. Wasserversorgung, Elektrizität, die aber nur zu bestimmten Stunden genutzt werden konnte und Begräbnisstäten. Sogar für "Spitzbuben" gab es eine eigene "Unterkunft".

Bis 1956 befand sich alles unter britischer Kontrolle - dann kam Jamal Abdel Nasser und verstaatlichte das Ganze.

Viel Abwechslung in ihrer Freizeit hatten die Jugend von Umm el Huwaitat seinerzeit nicht. Sie spielten Fußball und veranstalteten hin und wieder kl. Wettbewerbe, oder sie gingen Nachts Skorpione jagen. Später kamen kulturelle Angebote, wie ein Jugendzentrum, ein Kino und ein Theater mit gr. Bühne dazu. 1965 drehte man den Film "al. e-ataref"  (Das Geständnis) in- und über das Leben der Menschen der Stadt, der u. a. mit berühmten Faten Hamama besetzt war. In den sechziger und siebziger Jahren lebten in dieser Stadt über 16.000 Menschen, was sie seinerzeit zur größten  in der Region Red Sea machte. Erst 1984 wurde für einen TV-Anschluss mit einem einzigen Kanal gesorgt, zwei Jahre später kam ein zweiter hinzu.

Aber auch andere Länder wie z. B. Israel begann Phosphat abzubauen und zu vermarkten, entstand eine nicht unerhebliche Konkurenz. Den Schlußstrich zog ein schweres Gewitter mit Starkregen - der die Stadt überflutete und schwer in mitleidenschaft zog, man endschied sich die Förderung in den Bergen einzustellen und die Menschen umzusiedeln.

Bis heute wird in der Region Phosphat gefördert und verschifft. Wer in Richtung Süden nach el Quseir unterwegs ist kann die Förderbänder zu den Tankern in El Hamrwein schon von weitem erkennen.

Für ehemaligen Arbeiter von Umm el Howeitat und deren Nachfahren, von denen viele heute u.a. wieder in Meeresnähe leben, ist sie zur Geisterstadt geworden und da der Tourismus immer wieder nach neuen Möglichkeiten sucht, begannen sie das Areal für diesen zu vermarkten und nennen es bis heute "Ghost City".

Das Gelände gehört dem Ägyptischen Staat und ist nicht privat - auch wenn es die Leute einem erzählen wollen. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall, ob über einen Anbieter oder auf eigene Faust und wer mit ein bisschen Fantasie durch die Straßen der Stadt läuft wird so einiges entdecken. 

Zwei Wege führen in die Stadt - einmal eine s.g. Abkürzung quer Feld ein, aber nur mit einem 4x4 Fahrzeug und einem ortkundigen Fahrer, der die Strecke und jedes Steinchen kennt. Oder über die ausgeschilderte normale Straße (M65 bis hinter Safaga und dann auf die Auschilderung achten (s. oben Bild) - abzweig nach rechts.

 

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